Samstag, 16. August 2014

Safe-Harbour - ein Ruine, die dringender Renovierung bedarf bevor jemand zu Schaden kommt

Spannend zu beobachten: Die US-Bürgerrechtsorganisation Center for Digital Democracy (CDD – www.democraticmedia.org) hat schwere Vorwürfe gegen rund 30 US-Unternehmen erhoben, in denen sie diese bezichtigt, das Safe-Harbour-Abkommen als Deckmantel für Rechtsverstöße zu nutzen. Das CDD hat sich das Ziel gesetzt, die Rechte von Konsumenten und den Schutz der Privatsphäre zu stärken, Transparenz zu fördern und eine starke Öffentlichkeit im digitalen Zeitalter aufzubauen. Konkret schreibt CDD: “The new digital marketplace poses both opportunities and risks for consumers. As we increasingly make important decisions about our finances, health and families using digital media, consumers must be treated fairly.”

Es ist schon interessant, wenn man das jetzt endlich auch einmal von US-Seite hört. Bisher waren ja von dort und auch von Großbritannien eher umgekehrte Meinungen zu hören. Die wöchentlichen Hetzkampagnen britischer IT-Journalisten durchaus renommierter Medien gegen das resolute Vorgehen der Kommissarinnen Viviane Reding und Neelie Kroes waren ja nicht nur „unter der Gürtellinie“, sondern auch aus zentraleuropäischer Sicht inakzeptabel und machten den Eindruck, als wären sie direkt von der Googel-PR-Abteilung gesponsert.

Aber keine Geschäftsleitung eines US-Unternehmen kann auf Dauer die Ansprüche von mehreren hundert Millionen potentiellen EU-Bürgern ignorieren. Die sind nämlich gar nicht so anders als jene in vielen anderen, wenn nicht sogar in den meisten Ländern der Welt. Man will die neuen IT-Werkzeuge nutzen, aber man will dabei nicht belogen, über den Tisch gezogen oder übervorteilt werden. Die Tatsache, dass man nun jedoch nicht mehr relativ einfach bemerkt, wenn jemand unbefugt nach dem eigenen Gold – und das sind die Daten von heute – grapscht, macht es aber so schwierig. Wer mehr Ressourcen hat (Manpower, Know-how und Speicher- und Rechenleistung), der hat enorme Vorteile gegenüber jenen, die dem weniger entgegenzusetzen haben. Hier zeigt sich der bequeme Imperialismus des 21. Jahrhunderts: man muss weder ein Schiff besteigen noch eine Waffe in die Hand nehmen. Tastatur, Maus und ausrechend IT-Leistung reichen aus. Wie schon bisher bei jeder industriellen Revolution hinkt die gesellschaftliche Anpassung an die neuen technischen Möglichkeiten um einige Jahrzehnte hinterher.

Jedenfalls wirft CDD-Direktor Jeff Chester Washington und der zuständigen Federal Trade Commission (FTC) vor, „das Datenschutzversprechen gegenüber Europa zu brechen", indem sie die Praxis von Firmen wie Adobe, AOL, Salesforce.com und anderen dulden würden. Diese Firmen würden personenbezogene Daten in großem Umfang sammeln und auch an Dritte weitergeben, ohne Wissen und Einwilligung der Dateneigentümer. Es zeigt sich, dass das schon 14 Jahre alte transatlantische Datenabkommen Safe Harbour kein angemessenes Schutzniveau mehr bereitstellt und den heutigen IT-Möglichkeiten nicht mehr angemessen ist.

Im Zusammenhang mit den diversen Abhörskandalen der letzten Monate hat das EU-Parlament die Kommission aufgefordert, das Abkommen zu kündigen. Die EU-Kommission hat diesen Schritt bisher nicht gesetzt und auf eine Reformation von Safe Harbour seitens der US-Regierung gedrängt. Aber auch da ist bisher nichts passiert. Dies verwundert mich in keiner Weise, denn wer das Spiel in Brüssel kennt, der weiß, dass dort massives Lobbying ein funktionierendes Werkzeug ist, und große US-Konzerne nutzen dies wirklich sehr intensiv und clever. Leider haben viele EU-Mitgliedsstaaten und Organisationen noch immer nicht verstanden, wo Politik heutzutage in Europa gemacht wird und dass nur ein gemeinsamer und starker Auftritt dazu führt, Einfluss nehmen zu können.

Wer glaubt, dass diese Fragen zu spezifisch sind und Cloud ein Randthema ist, der erkennt nicht die größeren Zusammenhänge einer industriellen Revolution und der damit verbundenen sozio-ökonomischen Konsequenzen. Die Frage, wo in Zukunft Wertschöpfung generiert wird, wird genau jetzt und hier und heute entschieden. Bedauerlicherweise haben das viele Unternehmen, Interessensverbände, Wirtschaftsverbände und politische Organisationen noch nicht erkannt. Ich kann es daher gar nicht oft genug wiederholen: „Der Zug fährt schon längst, und ihr seid noch immer nicht eingestiegen.“

Tobias Höllwarth, Wien 16.08.2014

Tobias Höllwarth ist Vorstand der europäischen EuroCloud (www.eurocloud.at www.eurocloud.org) und Mitglied einer Reihe von Beratungsunternehmen (www.vccg.at www.ictan.eu www.ictan.eu www.hoellwarth.at) und IT-Gremien in der Europäischen Kommission und der internationalen Normungsorganisation ISO. Höllwarth ist Autor des Werkes Cloud Migration (www.cloud-migration.eu), Leitet die Initiative TRUST IN CLOUD (www.trustincloud.org) und ist Direktor des ECSA Programmes (www.eurocloud-staraudit.eu)

Deine Daten gehören mir. Die Entwicklung eines zur Cloud passenden Datenschutzrahmens.

"All your data belong to us", urteilt ein US-Gericht – und bringt die IT-Industrie des Landes damit in eine katastrophale Lage. So schreibt das Online Magazin heise vor kurzem zu dem Urteil eines US-Gerichts, das in zweiter Instanz von Microsoft

Zugriff auf Daten für eine Ermittlung gegen Drogenhändler

Generell gilt nun, dass ein Unternehmen der Gerichtsbarkeit am Standort seines Sitzes unterliegt. Dazu gehört auch der Standort des Rechenzentrums. Das heißt, ein österreichisches Unternehmen mit einer Niederlassung oder einem RZ in den USA unterliegt selbstverständlich dem US-Recht. Das jeweilige Recht am Standort der Niederlassung gilt genauso für Unternehmen, die in Frankreich, Deutschland oder England Niederlassungen haben.

Die Richterin in dem genannten Urteil meinte nun, dass es darum ginge, wer die Information kontrolliere, und nicht darum, wo die Daten liegen würden. Und ganz Unrecht hat sie damit ja nicht, denn auch das europäische Datenschutzrecht unterscheidet nur zwischen dem Data-Owner und dem Datacontroller.

Europa hat ja bekanntermaßen sehr klare Vorschriften, was ein Datacontroller – also jenes Unternehmen, das personenbezogene Daten verarbeitet – einzuhalten hat:

Die für die Verarbeitung Verantwortlichen müssen die Privatsphäre und das Recht auf Datenschutz aller Personen schützen, deren Daten ihnen anvertraut werden:

  • Sie dürfen nur dann personenbezogene Daten erfassen und verarbeiten, wenn dies gesetzlich erlaubt ist.
  • Sie müssen bestimmte Verpflichtungen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten einhalten.
  • Sie müssen Beschwerden nachgehen, die Verstöße gegen die Datenschutzrichtlinien betreffen, und sie müssen mit den nationalen Datenschutzbehörden zusammenarbeiten.

Um es US-Unternehmen auch zu ermöglichen, trotz dieser strikten Bestimmungen mit europäischen Kunden Geschäfte zu machen und damit auch Datacontroller für personenbezogene Daten europäischer Data-Owner zu werden, wurde vor 14 Jahren Safe Harbour erfunden: eine selbstauferlegte Verpflichtung von US-Unternehmen, sich an die Datenschutzbestimmungen im Land des Data-Owners zu halten. Bei näherem Hinschauen wird aber klar, dass Safe Harbour nur teilweise sinnvoll ist, denn die Einträge im US-Handelsregister waren Selbstauskünfte der Unternehmen ohne Überprüfung. In Europa verlangt man da mehr Sicherheit und Nachweise.

Der zweite Zugang zum europäischen Kunden für US-Unternehmen war dann noch die Gründung eines Tochterunternehmens in Europa. Damit zeigen US-Unternehmen, dass sie sich bereitwillig dem europäischen und Landesrecht unterwerfen. Eigentlich ein sehr lobenswerter Schritt von US–Unternehmen, um bei europäischen Kunden Vertrauen in die eigenen Cloudservices aufzubauen.
Das amerikanische Urteil ist nun deshalb so interessant, weil es amerikanisches Recht auf ein Unternehmen appliziert, das in Europa seinen Sitz hat (die Niederlassung eines amerikanischen Mutterunternehmens). Äquivalent dazu wäre, wenn ein österreichisches Gericht ein Unternehmen in New York dessen Konzernmutter in Österreich firmiert zu einer Handlung zwingt, die nach österreichischem Recht erlaubt wäre, aber vielleicht nicht nach amerikanischem. Die Richterin argumentiert ja, dass die Konzernmutter der Datacontroller ist und nicht das Tochterunternehmen mit Sitz in der EU.

Weil das Gericht als Druckmittel vermutlich den amerikanischen Mutterkonzern verwendet, ist die Kernfrage, ob landesspezifische Gerichtsbarkeit einfach auf andere Länder ausgeweitet werden darf. Das ist grundsätzlich zu bezweifeln und vor allem deshalb abzulehnen, weil das jeweilige Unternehmen nur wenige Möglichkeiten hat, sich gegen einen solchen Zugriff zu wehren. Und zwar nicht nur aus finanziellen Gründen, sondern auch deshalb, weil das Unternehmen gar keinen Rechtsstatus im anderen Land hat, um in einem Gerichtsfall Parteistellung zu erhalten.

Zugriffe von staatlichen Verfolgungsbehörden, die auf Basis einer rechtlichen Grundlage und einer eventuell auch erforderlichen gerichtlichen Entscheidung erfolgen, gibt es in Deutschland oder England genauso häufig wie in den USA, und kein rationell denkender Mensch wird gegen ein solches Vorgehen eines demokratischen und rechtsstaatlichen Landes einen Einwand haben.

Auf der anderen Seite jedoch ist klar, dass eine grenzenlose IT und eine grenzenlose Cloud technische Rahmen schaffen, die von rechtlichen Regeln noch nicht vollständig und passend erfasst wurden. Wie in jeder industriellen Revolution hinkt die soziale und juristische Adaption der technischen hinterher.
Ist man also grundsätzlich der Meinung, dass es möglich sein muss, Firmen oder Personen, die Cloudservices für verbrecherische Aktivitäten verwenden (z. B. Geldwäsche, Planung von terroristischen Anschlägen oder internationalen Drogennetzwerken), durch die Strafverfolgungsbehörden eines Landes auch international zu verfolgen, dann muss man auch entsprechende Mechanismen erlauben. Also beispielsweise einer Behörde ermöglichen, in Kooperation mit anderen Behörden in einem anderen Land rasch auf Daten und Kommunikationsprotokolle zuzugreifen, wenn dies erforderlich ist.

Tobias Höllwarth ist Vorstand der europäischen EuroCloud (www.eurocloud.at www.eurocloud.org) und Mitglied einer Reihe von Beratungsunternehmen (www.vccg.at www.ictan.eu www.ictan.eu www.hoellwarth.at) und IT-Gremien in der Europäischen Kommission und der internationalen Normungsorganisation ISO. Höllwarth ist Autor des Werkes Cloud Migration (www.cloud-migration.eu), Leitet die Initiative TRUST IN CLOUD (www.trustincloud.org) und ist Direktor des ECSA Programmes (www.eurocloud-staraudit.eu)