Mittlerweile müsste schon jeder etwas davon
gehört haben: Es findet so etwas wie eine digitale Revolution statt, und man muss
kein Eingeweihter sein, um rasch festzustellen, dass sich diese Transformation
auf alle Lebensbereiche auswirkt: auf die Gesellschaft, die Wirtschaft und den
einzelnen Menschen.
Cloud, Mobility, Social Media und Analytik
sind die so genannten „Nexus of Forces“, die die digitale Transformation
ausmachen – und die wird in Österreich komplett unterschätzt und verschlafen.
Zwar kann man mittlerweile nicht mehr sofort die rote Karte ziehen, wenn die
Cloud angesprochen wird, und damit jeglichen Ansatz von Veränderung im Keim
ersticken. Aber dennoch ist Österreich weit davon entfernt, auch nur in
irgendeiner Weise angemessen auf die neuen Herausforderungen zu reagieren und
die Menschen auf die Veränderungen vorzubereiten.
Cloud wird in Österreich
unterdurchschnittlich genutzt und auch angeboten. Wir sind zwar nicht
Schlusslicht bei der Nutzung, aber dennoch unterdurchschnittlich. Und das heißt
eben auch schlechter als die meisten anderen vergleichbaren Länder, in denen längst
erkannt wurde, dass man auf diese massiven Änderungen „draußen“ nur mit raschen
Veränderungen „drinnen“ reagieren muss: bei sich selbst, im Ausbildungssystem
und bei den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen. Sonst werden künftig die
IT aus den USA, die Endgeräte aus Asien und die Dienstleistungen aus
Niedriglohnländern eingekauft – eben von dort, wo die Menschen schneller dabei
waren, sich anzupassen.
Das Besondere – und das wird meist völlig
übersehen – ist, dass mit der Cloud zum ersten Mal auch kleinen und mittelgroßen
Betrieben (KMU) ganz neue Produktionsressourcen zur Verfügung stehen, unternehmerische
Ressourcen, auf die früher nur Großunternehmen zurückgreifen konnten. In
Österreich zählen 99,8 Prozent aller Unternehmen zu den KMU.
Ein kleines Start-up-Unternehmen mit dem
richtigen Business Case kann morgen Millionen User bedienen und übermorgen um
200 Millionen US-Dollar an einen Sportkonzern verkauft werden, weil dieses Start-up
agile Ressourcen ohne Limit immer dann einsetzen kann, wenn sie gerade gebraucht
werden – und nicht dann, wenn Investitionskapital zur Verfügung steht.
Es ist also von wirtschaftspolitischer
Bedeutung, dass sich Politiker und unternehmerische Verbände mit der Frage
auseinandersetzen, in welcher Form Unternehmen in der Lage sind, neue Produktionsressourcen
effizient und mit ausreichend Know-how einzukaufen (Kundenseite) oder
anzubieten (Anbieterseite). Aber in Österreich herrscht eine überaus träge und
veränderungsunwillige Machtsituation, bei der es um den Erhalt des Status Quo
oder gewisser Interessen geht. Veränderung ist unbequem – für einen selbst und
für Systeme. Menschen tendieren dazu, das, was sie kennen, aufrechtzuerhalten.
Aber diese menschliche Eigenschaft wird gefährlich, wenn die Umwelt sich gerade
radikal verändert.
Die Imagekampagne Trust in Cloud (www.trustincloud.org) hat aufgezeigt, wie
viele Unternehmen sich schon mit diesem Thema beschäftigen und wie groß die
Herausforderung ist, neue IT-Ressourcen (wie die Cloud eine ist) ökonomisch vorteilhaft,
technisch passend und sicher in die bestehende eigene IT zu integrieren. Es ist
eine große Herausforderung, auf die man Unternehmen, Start-ups, ArbeitnehmerInnen
und SchülerInnen sowie die Gesellschaft vorbereiten sollte.
Aber in Österreich beschäftigen sich
Berufsverbände und Gewerbeaufsicht lieber damit, ob ein Friseurbetrieb wie jener
aus Wattens in Tirol auch das Recht hat, Wimpernverlängerungen anzubieten. Die
Eigentümerin des Friseurgeschäftes wurde angezeigt und musste sich beim Verwaltungsgerichtshof
dagegen wehren – eine Geschichte, die im Ausland geradezu lächerlich wirken
muss.
Wie leben in einem Land, in dem das
Ausbildungssystem so antiquiert und unzulänglich ist, dass es fast schon als ein
Verbrechen an den kommenden Generationen bezeichnet werden kann. Unsere Jugend
wird nicht einmal ansatzweise auf die neuen Herausforderungen vorbereitet, man
nimmt ihr die Freude am Lernen und an den Inhalten. Das Resultat sind junge
Menschen, die nicht ausreichend qualifiziert sind, um mit der neuen digitalen
Lebenssituation und den beruflichen Herausforderungen in Unternehmen
professionell zurechtzukommen, denn dazu gehört weit mehr, als nur Geräte mit Wischbewegungen
bedienen zu können. Komplexe IT-Situationen müssen erkannt, beurteilt und
bewältigt werden können. Wir haben in Österreich immer mehr
Rechenzentrumsleiter als CIOs oder CDOs, die auch von der Unternehmensführung damit
betraut werden, die schwierige Schnittstelle zwischen Businessanforderungen,
Anbietern und interner Produktionsressourcen-IT zu bewältigen.
Ist in einem wohlhabenden Land wie
Österreich die Bequemlichkeit wirklich so hoch, dass man sich um die Zukunft
keine Sorgen macht? Es muss klar sein, dass es in einem solchen Land keine
größere Herausforderung geben kann, wenn sich die Einkommensperspektiven so
drastisch verändern. Wir leben in einem Land, in dem die Sozialkosten höher als
in den meisten anderen Ländern der Welt sind, in einem Land mit einer
überalterten Bevölkerung und einem nachweislich unterdurchschnittlichen
Bildungsniveau. In einem Land, in dem die Kosten einer Arbeitsstunde weit über
denen in den meisten anderen Ländern liegen und in dem viele Berufe nicht mehr
wettbewerbsfähig sind. Da muss man sich doch überlegen, ob man mit Themen wie der
Cloud und der digitalen Transformation unserer Gesellschaft nicht viel
professioneller umgehen sollte. Wir können zwar weiterhin Skilehrer ausbilden,
Sachertortenbäcker und Touristenführer für Schönbrunn – die werden auch weiterhin
schöne Erträge erwirtschaften und Devisen bringen. Aber damit wird nicht genug
Wertschöpfung erbracht, um es uns zu ermöglichen, in diesem Land in dieser Bequemlichkeit
so weiterzuleben. Wir werden diesen Lebensstandard nur dann aufrechterhalten können,
wenn wir spezifische Qualifikationen für hochwertige Dienstleistungen oder
Produkte aufbauen, die von zukünftigen Märkten auch gebraucht und zu hohen
Preisen gekauft werden.
Zur Cloud-Lage der Nation ist also zu
sagen: Ich bin sicher, dass die Cloud alles verändern wird – in allen
Ländern, für jeden Menschen und in sämtlichen Berufen. Menschen und
Organisationen werden sich neu – digital – vernetzen, und es werden neue
Geschäftsmodelle und Einnahmequellen entstehen. Die Cloud ist ein fundamentaler
„Game-Changer“.
Ich meine, dass die Cloud in Kürze ein
elementarer Wettbewerbsvorteil wird. Österreich baut seinen Wohlstand auf dem
Erfolg tausender kleiner und mittlerer Unternehmen auf. KMU kommen mit
Cloud-Technologie an Oberliga-IT-Lösungen heran. Damit schafft die Cloud
Innovation zu niedrigen Kosten, erhöht die unternehmerische Agilität und
eröffnet neue Zukunftsperspektiven – für uns alle. Aber man muss sich darauf
einstellen – und zwar sofort.
Ich sehe, dass der lokale und
internationale Wettbewerbsdruck Unternehmen dazu zwingt, ihre IT immer rascher,
flexibler, günstiger und passend zum aktuellen Bedarf einzusetzen. Das gilt für
einen Großkonzern genauso wie für den Installateur von nebenan. Die Cloud macht
das möglich. Wie immer gilt: Wer bei der Nutzung neuer Technologien die Nase
vorne hat und rechtzeitig das entsprechende Know-how erworben hat, verbessert
seine Erfolgschancen enorm.
Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass
die Cloud der jeweiligen Nutzung angemessen sicher ist. Paranoia ist der falsche
Zugang. Nur wer über Know-how und Kompetenz verfügt, kann die Cloud gut nutzen.
Trust in Cloud bedeutet, dass man dieses Vertrauen aufbauen muss. Das muss
jetzt beginnen. Die Mitglieder der Kampagne Trust in Cloud forderten vor einem
Jahr, dass wir in Österreich nicht mehr weiter zuschauen, wie wir überholt
werden. Österreich muss auf einen Spitzenplatz im Cloud-Know-how und in der
Cloud-Nutzung gelangen.
Ich empfehle eine bundesweit einheitliche IT-Strategie aller öffentlichen Stellen
und staatsnahen Betriebe zum bevorzugten Einsatz von Cloud-Lösungen, wenn dies
rechtlich möglich, sinnvoll und günstiger ist. Durch offensive Nutzung von
Cloud-Services soll der öffentliche Sektor mit gutem Beispiel vorangehen.
Ich empfehle, dass alles getan wird, um die Cloud-Kompetenz in Österreich zu steigern. Ausreichende Unterstützung bei der Evaluierung und Umsetzung von Cloud-Lösungen muss sichergestellt sein. Eine Sofortmaßnahme soll dabei das Aufklärungsprogramm „Der Weg in die Cloud“ sein.
Ich empfehle zur Sicherung der Qualität die
Etablierung eines Kriterienkatalogs für Cloud-Services, der bei öffentlicher
Auftragsvergabe eingefordert wird. Zertifizierungsmaßnahmen sollen die Auswahl
und die Qualitätsprüfung von Cloud-Services erleichtern. Das deutsche BMWi hat
diesen Kriterienkatalog, der auf dem EuroClodu Star Audit basiert, schon bald
fertiggestellt.
Ich empfehle die rasche Umsetzung eines
zusätzlichen Cloud-Ausbildungsschwerpunkts in Schulen und
Weiterbildungseinrichtungen sowie Investitionsanreize zur Ausbildung von
MitarbeiterInnen, z. B. ein Ergänzungsprogramm zum Europäischen
Computerführerschein. Ein Programm wie ein „Cloud-Koffer“ in Analogie zum „Medien-Koffer“
oder „Sex-Koffer“ ist höchst dringlich.
Zusammenfassend gesagt: Es schaut schlecht
aus, und die Aussichten sind ausgesprochen trübe. Ich habe mittlerweile größte
Bedenken, ob die Entscheidungsträger sich der Problematik überhaupt bewusst
sind oder ob es ihnen nur um ihre eigene Machtzementierung geht.
Tobias Höllwarth
Augut 2015